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Prof. Dr. Wolfgang Richter
Vorsitzender der Gesellschaft zum Schutz von Bürgerrecht und Menschenwürde
Geschäftsführendes Mitglied des Präsidiums des Europäischen Friedensforums
  

Liebe Friedensfreundinnen und –freunde!


Der Nahe und Mittlere Osten ist die größte und sensibelste Konfliktregion der Welt.

Von diesem ölreichen Gebiet, seinen Spannungen und den Bestrebungen der USA und der NATO, die Lösung dieser Konflikte mit militärischen Mitteln in den Dienst ihrer PAX Americana zu stellen, geht heute die größte Bedrohung für den Weltfrieden aus.

Vor kurzem erst erklärte Bush in einer Grundsatzrede zur Außenpolitik der USA, sie habe drei Fronten im globalen Krieg gegen den Terror für eine „zukunftsorientierte Strategie der Freiheit“: Erstens  Irak, zweitens Afghanistan und drittens Iran und Syrien, die er als die eigentlichen Verantwortlichen des Libanonkonflikts bezeichnete. Dabei ist es selbst in den USA ein offenes Geheimnis, dass die Bushregierung und die großen EU-Staaten das willige Israel auch noch förmlich in den Krieg gestoßen haben.

Um es hier und heute, also unmittelbar im Zusammenhang mit der bevorstehenden Zustimmung des Bundestages über den Einsatz der Bundeswehr deutlich zu sagen: Der Weltfrieden braucht in der Krisenregion Nahost nicht mehr sondern weniger Soldaten und Waffen!
Auch ein Soldat ist eine Waffe. Waffen eskalieren Kämpfe. Und wenn der Bundeswehr ihr Mandat nicht robust genug sein kann, dann weiß sie sehr wohl, wo geschossen wird, wird zurückgeschossen. Wir sahen es gerade in Afghanistan.

Wer einen Kampfeinsatz beschließt, um einen Waffenschmuggel der Hezbollah zu verhindern und selbst munter fortfährt atomwaffentaugliche U-Boote oder gepanzerte Fahrzeuge an Israel zu liefern, beteiligt sich an der Hochrüstung im Nahen Osten und ist moralisch ein Heuchler.

Und wenn man heute noch von vornherein klarstellt, man schießt nur nach einer Seite, hat man das mit derartigen Einsätzen grundsätzlich verbundene Prinzip der Neutralität gröblichst verletzt. Man ist vielmehr an der Seite Israels nachträglich als eine neue Kriegspartei in den Krieg gegen den Libanon eingetreten und lässt die Region nicht zur Ruhe kommen. Man verteidigt damit letztlich auch die Kriegsziele Israels und gibt ihm die militärischen Kapazitäten zur Absicherung seiner völkerrechtswidrigen Annexionen. Das ist nur ein weiteres Indiz dafür, das man sich in der neuen Koalition der Bundesregierung weit unverblümter als bei Schröder bemüht, willfährig die gleiche Sprache wie Bush zu sprechen und sich  im Gefühl und im Gehabe einer neuen Weltmachtrolle seinen Zielen anzudienen. Kanzlerin Merkel ist sehr schnell zur Lieblingsalliierten der USA avanciert. Sie hat sich damit die Verachtung der Friedensbewegung verdient.

Auch ihr dürfte nicht unbekannt sein, dass der israelische Minister Jacob Edri erst kürzlich erklärte, er halte einen Krieg gegen den Iran für notwendig. Wie schnell könnte Deutschland dann auch in diesen größeren Krieg einbezogen sein, der alle Möglichkeiten der Eskalation in sich birgt.  

Man will die Öffentlichkeit glauben machen, es gehe um die Sicherung des Existenzrechts Israels. Niemand, der politisch verantwortlich denkt und handelt, bestreitet dieses Recht. Es geht aber nicht weniger darum, dass Israel sich das Recht herausnimmt, als Besatzungsmacht ein weit größeres Territorium zu beanspruchen als ihm zusteht und einem palästinensischen Staat nach wie vor das Existenzrecht bestreitet. Wenn Israel die Truppen, die es in den von ihm besetzten Gebieten stationiert hat zum Schutz seiner Staatsgrenzen verwenden würde, brauchte es keinen einzigen weiteren Soldaten, um seine Grenzen zu schützen. Auch die Bundeswehr könnte zuhause bleiben.

Es muss doch jedem verantwortungsbewussten Politiker klar sein, was die Friedensbewegung schon lange begriffen hat: Frieden kann nicht auf rechtswidriger Annexion gründen. Er kann nur durch Verhandlungen zwischen den beteiligten Seiten gelingen.

Das explosive Gemisch das eine von vielen längst vergessene Gefahr eines nuklearen Weltkriegs birgt, entsteht dadurch, dass die Vorherrschaft im Nahen Osten ein wichtiger Faktor der aggressiven Weltordnungspolitik der USA ist.

Und es liegt der Verdacht nahe, dass der Einsatz der UN-Truppe im Libanon (UNIFIL) Defizite des erwarteten oder erhofften Kriegsverlaufs korrigieren soll. Es ist Israel nicht gelungen, die Waffenstellungen die Führung und die Infrastruktur der Hezbollah auszuschalten, damit die NATO direkt im Libanon zu stationieren und im Nahen Osten in Stellung zu bringen. Das soll nun durch eine „schlagkräftige internationale Truppe“ von ca. 15.000 Soldaten nachgeholt werden.

Wir verurteilen entschieden die Verschleppungstaktik, an der sich auch die Bundesregierung beteiligte, mit der der Sicherheitsrat der UNO über einen Monat nach Kriegsausbruch am Handeln gehindert wurde. Nach dem willen der USA und nachdem die Erfolge im Krieg nicht ihren  Erwartungen gerecht wurden, sollte die Sicherheitsratsresolution 1701 Israel all das geben, was es mit seinem Einmarsch nicht erreicht hat.

Wir haben im epf und in der GBM eine einmütige Meinung:
- Wir fordern u.a. die Bundesregierung und das Parlament sowie die Regierungen anderer Staaten auf, keine Truppen in das Krisengebiet zu entsenden.
- Wir fordern Rückzug der israelischen Truppen aus den seit 67 besetzten palästinensischen, libanesischen und syrischen Gebieten, die vollständige Auflösung der Siedlungen und den Abriss der Mauer.
- Wir fordern die Gründung eines palästinensischen Staates neben Israel, die Lösung der Flüchtlingsfrage und Rückkehr der Flüchtlinge auf der Grundlage der UNO-Resolution 194
- Wir fordern  vor allem auch, einen von Atomwaffen freien Nahen und Mittleren Osten.
  
Wir möchten der Bundesregierung noch eine einfache Wahrheit mit auf den weiteren Weg geben: Wir hatten in zwei Bundesländern Wahlen, auch in Berlin, bei denen Neonazis zu den Gewinnern zählten. Eine Regierung, die - um sich noch mehr Weltgeltung zu  verschaffen - ihre Armee in die Welt schickt und zugleich auch unbelehrt einen Einsatz der Bundeswehr im Innern vorbereitet, sollte sich bewusst sein, dass eine rigide Weltordnungspolitik neonazistischen Kräften gewiss Auftrieb gibt. Das zu verschweigen ist eine Abwiegelung der wirklichen Gründe, neonazistisch zu wählen und die sind nicht so harmlos wie das Wort Protestwähler.

Und wir möchten daran erinnern, dass die große Mehrheit der Wähler unseres Landes den Truppeneinsatz der Bundeswehr im Nahen Osten ablehnt. Der Bundestag mag so legal und demokratisch gewählt sein, wie er will. Er ist nicht durch den Willen seiner Wähler zu einem solchen Beschluss legitimiert.

Wir stehen heute an geschichtsträchtigem Ort zwischen dem sowjetischen Ehrenmal und dem Denkmal der ermordeten Juden Europas.
Sowohl Sieger, die wir als Befreier empfanden, wie auch Opfer, vor denen wir uns verneigen, haben heute Grund, der Hauptlehre des Urteils, „Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus“ zu gedenken.

Wir haben gerade als Vertreter eines Volkes, das Hauptschuld an dem 2. Weltkrieg trug, kein Recht zu Unrecht und Verbrechen zu schweigen. Das hieße wirklich, nichts gelernt zu haben aus der deutschen Geschichte. Zu verhindern, dass sich solches Unrecht wiederholt, fordert alles in der Macht der Friedensbewegung liegende zu tun, damit von deutschem Boden nie wieder Krieg ausgeht.
 

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