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»IM KRIEG
MUSS SICH DIE LINKE POSITIONIEREN«
DIE DÄMONISIERUNG DER
HISBOLLAH IST TEIL DER KRIEGSFÜHRUNG.
Gespräch
mit Christine Buchholz (Mitglied des Bundesvorstands der
WASG)
Nach fast fünf
Wochen Krieg ist seit Montag ein Waffenstillstand für den Libanon in Kraft. Wie
bewerten Sie die UN-Resolution 1701?
Es ist gut, wenn es einen Waffenstillstand gibt. Wie wohl die meisten
möchte ich, daß keine unschuldigen Menschen mehr sterben.
Für Israel ist die Situation eine Niederlage. Das Ziel, die
Hisbollah zu zerschlagen, wurde verfehlt. Im Gegenteil: Die Hisbollah
hat politisch an Unterstützung gewonnen. Ich bezweifele
allerdings, daß mit der Resolution das
»Nahostproblem« gelöst wird. Ohne die Selbstbestimmung
der Palästinenser wird es keinen Frieden in der Region geben.
In der Linkspartei.PDS herrscht die
Meinung vor, Linke müßten im Fall des Libanon-Kriegs
»unparteiisch« sein. Teilen Sie diese Haltung?
Die Parteivorstände von Linkspartei und WASG haben die
Antikriegsdemonstration am Samstag in Berlin unterstützt und damit
Position bezogen. Das ist sehr wichtig. Die WASG hat schon Ende Juli
jede deutsche Beteiligung am Krieg abgelehnt. Wer meint, neutral zu
sein, bezieht meistens doch Position – auf der Seite des
Stärkeren. Es handelt sich bei diesem Krieg um einen
asymmetrischen Konflikt von internationaler Dimension. Auf der einen
Seite steht die israelische Regierung, die viel internationale
Rückendeckung hat: Die USA haben 100 bunkerbrechende Bomben an das
Krieg führende Israel geliefert. Auf der
EU-Außenministerkonferenz letzte Woche haben Deutschland und
Großbritannien eine Resolution für einen sofortigen
Waffenstillstand verhindert. Israel führt Krieg auch im Interesse
der USA, für die die Zerschlagung der Hisbollah nur ein kleiner
Teil ihres Planes der Neuordnung und Kolonialisierung des Nahen und
Mittleren Ostens ist. Die Bundesregierung trägt das letztendlich
mit.
Auf der anderen Seite stehen in diesem Konflikt die Hisbollah, die
Friedensbewegung in Israel und die internationale Antikriegsbewegung.
Das ist die Seite, auf der auch ich stehe.
Wie bewerten Sie die libanesische Hisbollah?
Hisbollah ist eine islamistische Partei, und als Sozialistin habe ich
mit ihr viele prinzipielle Differenzen. Raketenangriffe auf die
Zivilbevölkerung lehne ich ab und halte sie für kein
taugliches Mittel, um die Besatzung zu beenden. Aber die Hisbollah hat
viel Unterstützung bei den armen Schiiten und immer mehr auch bei
anderen Gruppen im Libanon. Sie ist aus dem Widerstand gegen die
Besatzung im Südlibanon 1982 entstanden und wird als antikoloniale
Befreiungsbewegung angesehen. Um sie zu zerschlagen, muß die
gesamte Bevölkerung im Süden Libanons angegriffen werden. Die
Dämonisierung der Hisbollah ist Teil der ideologischen
Kriegsführung. Die Linke sollte dabei nicht mitmachen.
Berlins Innensenator Ehrhart
Körting (SPD) hat per Erlaß das Zeigen von Hisbollah-Fahnen
und Bildern des Vorsitzenden der »Partei Gottes«, Hassan
Nasrallah, bei Demonstrationen untersagt. Wird der Ukas wie von der
Berliner Linkspartei auch von der WASG mitgetragen?
Körting will die arabischen Demonstranten isolieren und
einschüchtern und die Proteste diskreditieren und stigmatisieren.
Ich wehre mich dagegen, daß unsere arabischen und
palästinensischen Mitbürger unter Terrorismusverdacht
gestellt werden. Die Demonstration am Samstag war ein Zeichen
dafür, daß muslimische, jüdische, christliche und linke
Bürgerinnen und Bürger gegen den Krieg und für ein
friedliches Zusammenleben im Nahen Osten und in Deutschland stehen.
Die Berliner Linkspartei.PDS lehnte
eine Unterstützung der Demonstration »Für einen
sofortigen und bedingungslosen Waffenstillstand – gegen den Krieg
in Libanon und Palästina« ab, angeblich, weil ein explizites
Bekenntnis zum Existenzrecht Israels fehlte.
Mein Kenntnisstand ist, daß die Berliner Linkspartei die Position
der Bundespartei, die die Demonstration unterstützt hat,
mitträgt. Aber eins ist richtig: Die Linke insgesamt hat sich
bisher viel zu zögerlich an den Protesten beteiligt.
Die meisten arabischen Organisationen haben mit der Existenz Israels
kein Problem. Für sie ist das Existenzrechts Israels mit der Frage
nach dem Existenzrecht der Palästinenser, also nach der
Verfassung, dem Rückkehrrecht und der Frage danach, in welchen
Grenzen Israel existieren soll, verbunden. Das halte ich für
absolut legitim. Schließlich steht aktuell nicht die Existenz
Israels auf dem Spiel, sondern die Souveränität des Libanon.
Interview: Rüdiger Göbel, Junge Welt vom 15.08.2006
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